Bei Menschen mit ALS und Mutationen im SOD1-Gen (SOD1-ALS) steht seit Februar 2022 das Medikament Tofersen im Rahmen eines Härtefallprogramms zur Verfügung. Durch das genetische Screening-Programm „Id-ALS“ konnten bisher 31 Patientinnen und Patienten mit SOD1-Mutationen identifiziert werden. Bis zum heutigen Datum konnten 18 Teilnehmer des Screening-Programms in das Härtefallprogramm überführt und mit Tofersen behandelt werden.
Davon wurden sechs Patienten wissenschaftlich analysiert, die eine längere Behandlungszeit (5–7 Monate) aufweisen. Die Ergebnisse dieser ersten Analyse wurden am 16. März 2023 in der US-amerikanischen Fachzeitschrift „Muscle & Nerve“ publiziert. In dieser Publikation wurde gezeigt, dass die Tofersen-Therapie bei allen sechs behandelten Patienten zu einer raschen und deutlichen Abnahme des Biomarkers Neurofilament light chain (NfL) führte.
Damit konnten die Ergebnisse aus der internationalen Phase 3‑Studie zu Tofersen (VALOR Study) reproduziert und erweitert werden. Neben der Bestätigung der bisherigen Studiendaten wurde nachgewiesen, dass auch Patientinnen und Patienten mit besonderen Verläufen (sehr langsamer Verlauf oder mit besonders hoher Progression) – die auf Grund der Einschlusskriterien bei der VALOR Study nicht einbezogen wurden – ebenfalls eine rasche NfL-Reduktion zeigten. Insgesamt stützen die Ergebnisse den therapeutischen Effekt von Tofersen und die Eignung von NfL als Therapiemarker der ALS.
Es handelt sich hierbei um die erste publizierte Analyse von Tofersen in der klinischen Anwendung – nach den veröffentlichten Daten der Phase 3‑Studie.
Die Analyse entstand durch eine Zusammenarbeit der ALS-Ambulanz der Charité, dem genetischen Screening-Programm von Ambulanzpartner sowie den ALS-Zentren in Bonn, Hannover, Dresden, Mannheim und Münster. Das genetische Screening-Programm wurde durch Ambulanzpartner realisiert und durch eine Forschungsfinanzierung der Firma Biogen gefördert. Die wissenschaftliche Analyse der klinischen Effekte und der NfL-Verläufe wurde durch die Boris Canessa ALS Stiftung sowie den Martin Herrenknecht Fonds für ALS-Therapieforschung unterstützt.
Referenz:
Meyer T, Schumann P, Weydt P, Petri S, Koc Y, Spittel S, Bernsen S, Günther R, Weishaupt JH, Dreger M, Kolzarek F, Kettemann D, Norden J, Boentert M, Vidovic M, Meisel C, Münch C, Maier A, Körtvélyessy P. Neurofilament light chain response during therapy with antisense oligonucleotide Tofersen in SOD1-related ALS — treatment experience in clinical practice. Muscle Nerve. 2023 Mar 16. doi: 10.1002/mus.27818. Epub ahead of print. PMID: 36928619.
Zugang zur Publikation („open access“): https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/mus.27818
Links:
Projektbeschreibung bei der Boris Canessa ALS Stiftung: https://canessa-als-stiftung.org/projekte/genetische-therapie/
Studieninformation zum genetischen Screening-Programm über Ambulanzpartner: https://www.ambulanzpartner.de/studie-id-als/
ALS-Podcast #19 zur Erfahrung von Elke Schröter mit Tofersen auf YouTube: https://youtu.be/lh-AuBm6irQ
ALS-Podcast #13 zur genetischen Testung (Studie ID-ALS) auf YouTube: https://youtu.be/AifmLwd8eBc
ALS-Podcast #8 zu ALS-Gene mit Prof. Dr. Jochen Weishaupt auf YouTube: https://youtu.be/sqPRIp4-M14
Autor: Prof. Dr. Thomas Meyer