Biomarker-Studie zu Neurofilament light chain (NfL) bei der ALS
Durch Unterstützung der Boris Canessa ALS Stiftung wird an 12 ALS-Zentren in Deutschland ein Forschungsprogramm zum Biomarker Neurofilament Light Chain (NfL, Neurofilament leichte Kette) durchgeführt.
Die Studie wird durch die ALS-Ambulanz der Charité koordiniert und wissenschaftlich geleitet. Dabei soll die notwendige Datenbasis für die Nutzung der NfL-Serumkonzentration (der NfL-Bluttest) geschaffen werden, um den Verlauf der ALS eindeutiger vorhersagen und die Wirksamkeit neuer Therapien exakter und früher bestimmen zu können.
Ziel des Projekts
Die Studie beruht auf der Erkenntnis, dass bei ALS-Patientinnen und ‑Patienten eine erhöhte Konzentration des Moleküls NfL im Liquor („Nervenwasser“) und im Blut (Blutserum) vorliegt.
Trotz dieser grundsätzlichen Erkenntnis sind zahlreiche Forschungsfragen offen, die in diesem Forschungsprogramm geklärt werden. Dabei ist die Korrelation der NfL-Serumkonzentration zum Krankheitsverlauf, zur Progressionsrate und zu spezifischen Verlaufsformen der ALS noch unzureichend untersucht. Eine weitere zentrale Forschungsfrage ist die Eignung von NfL für die Identifikation der therapeutischen Wirksamkeit von Medikamenten und anderen Behandlungsverfahren im Sinne eines therapeutischen Markers.
Die Studie erforscht folgende Zusammenhänge:
- Besteht eine Korrelation zwischen der NfL-Konzentration im Blut und dem Krankheitsverlauf? Lässt sich eine höhere NfL-Konzentration im Blut bei einer schnelleren Progression der ALS nachweisen?
- Wie verändert sich die NfL-Konzentration im Krankheitsverlauf? Nimmt die NfL-Konzentration im Verlauf der ALS wieder ab?
- Besteht eine Korrelation zwischen der NfL-Konzentration und der ALS-Therapie: Lassen sich Therapieeffekte von neuen Medikamenten (z. B. von Tofersen und Studienmedikamente) sowie von anderen ALS-Therapien (z. B. der hochkalorischen Ernährungstherapie oder der nicht-invasiven/invasiver Beatmung) mit NfL nachweisen?
Für die Bestimmung der NfL-Konzentration wird die Single Molecule Analysis-Methode (SIMOA) eingesetzt. SIMOA steht für den englischen Begriff „Single Molecule Analysis“ – und lässt sich mit der „Analyse einzelner Moleküle“ übersetzen. Die SIMOA-Methode wurde erst vor wenigen Jahren in den USA etabliert. In Deutschland sind nur wenige SIMOA-Geräte verfügbar. Die SIMOA-Methode erlaubt die Messung des Moleküls NfL in Konzentrationen von Pikogramm, d.h. dem Billionsten Teil eines Gramms.
Umsetzung und aktueller Stand
Durch Finanzierung der Boris Canessa ALS Stiftung wurde die Beschaffung eines SIMOA-Analysegerätes (HD‑X, Quanterix Inc., USA) möglich, das inzwischen in den Laborräumen der Charité aufgebaut und eingerichtet ist. Die technische Etablierung erfolgte zwischen März und Juli 2020 durch das NfL-Team an der Charité. Die personelle Ausstattung des Analyseteams sowie des Projektmanagements und eine Projektförderung für weitere ALS-Zentren in Deutschland wurden ebenfalls durch Mittel der Stiftung ermöglicht.
Die Studie NfL ist in einer Untersuchungsgruppe von 1.500 teilnehmenden ALS-Patientinnen und ‑Patienten an mindestens 12 ALS-Zentren im Zeitraum von 2020–2023 vorgesehen. Über den aktuellen Stand und die Zwischenergebnisse wird im Blog berichtet. Eine detaillierte Beschreibung der Studie sowie häufige Fragen und Antworten finden Sie hier: https://www.als-charite.de/aktuelle-studien/
Nutzen des Projektes
Nutzen für teilnehmende Patientinnen und Patienten
Die NfL-Studie ist mit einem unmittelbaren Nutzen für die teilnehmenden Patientinnen und Patienten verbunden: Sie können auf Wunsch ihre individuellen NfL-Werte im Krankheitsverlauf erfahren. Der Biomarker dient zur Diagnosesicherung und Einschätzung der eigenen Krankheitsprogression.
Nutzen für ALS-Zentren
Durch die Bereitstellung einer gemeinsamen Infrastruktur (zentrale SIMOA-Analyse, Logistik, Biobank und Studiensoftware) wird die bestehende wissenschaftliche Zusammenarbeit der ALS-Zentren gestärkt und die ALS-Forschung in Deutschland befördert. Hinzu kommt die direkte Finanzierung von Personalstellen und eine technische Unterstützung, um die Aufwendungen der Studienteilnahme zu kompensieren. Mit dem NfL-Vorhaben wird den Zentren ermöglicht, den NfL-Biomarker mit in ihr diagnostisches Angebot aufzunehmen.
Beitrag zum Fortschritt bei der ALS
Mit der Etablierung des Biomarkers NfL als Diagnostik‑, Prognose- und Therapiemarker erfährt die ALS-Forschung einen erheblichen Entwicklungsschub. Durch das Projekt ist eine deutliche Beschleunigung der klinischen Forschung in der Entwicklung neuer Therapieoptionen erwarten. Das NfL-Projekt hat das Potenzial, die Effizienz und Geschwindigkeit klinischer Studien zu revolutionieren.
Ausblick
Insgesamt sollen 9.000 NfL-Tests bei 1500 ALS-Patientinnen und Patienten durchgeführt und analysiert werden. Die Ergebnisse dieser Studie werden voraussichtlich dazu beitragen, den Biomarker NfL wissenschaftlich zu etablieren.
In einer längerfristigen Perspektive soll NfL dazu genutzt werden, den Verlauf der ALS eindeutiger vorherzusagen und die Wirksamkeit neuer Therapien exakter und früher bestimmen zu können.
In greifbarer Zukunft ist die Zulassung eines genetischen ALS-Medikamentes (Tofersen) zu erwarten. Tofersen kommt bei Patienten zum Einsatz, die Mutationen im SOD1-Gen aufweisen. Die Wirksamkeit von Tofersen kann perspektivisch durch eine NfL-Analyse – im Sinne eines therapeutischen Markers – belegt werden. Dabei wäre zu erwarten, dass nach Einleitung der Tofersen-Therapie die Serumkonzentration von NfL abnimmt. Die laufende NfL-Studie schafft die Datengrundlage, um diese Wirksamkeittests von Tofersen zu realisieren. Dabei wird angestrebt, dass alle Patienten, die mit Tofersen therapiert werden, zugleich in der NfL-Testung Studie erhalten. Damit trägt die NfL-Studie wesentlich dazu bei, die therapeutische Wirksamkeit (hoffentlich) früher als mit herkömmlichen Methoden nachzuweisen. In der längerfristigen Perspektive wird die Validierung der therapeutischen Wirksamkeit durch NfL auch bei anderen Medikamenten zur Anwendung kommen, die sich in Entwicklung befinden.