Rückschlag in Therapiestudie gegen C9orf72-Mutationen

Am 28. März 2022 wur­den die Ergeb­nis­se einer Pha­se-1-Stu­die mit einem ASO-Medi­ka­ment gegen C9or­f72-Muta­tio­nen vom Bio­tech-Unter­neh­men Bio­gen ver­öf­fent­licht. Dabei wur­den die nega­ti­ven Ergeb­nis­se einer pla­ce­bo-kon­trol­lier­ten Stu­die bekannt gege­ben, an der 106 ALS-Pati­en­ten mit Muta­tio­nen im C9or­f72-Gen teil­ge­nom­men haben.

Das haupt­säch­li­che Ziel der Stu­die bestand in der Unter­su­chung von Ver­träg­lich­keit und Arz­nei­mit­tel­si­cher­heit. Bereits in die­ser frü­hen Pha­se der Ent­wick­lung wur­den jedoch auch Daten zur Wirk­sam­keit des Medi­ka­men­tes erho­ben.

Das Anti-C9or­f72-Medi­ka­ment (aus der Grup­pe der Anti-Sen­se-Oli­go­nu­kleo­ti­de, ASO) wur­de in drei unter­schied­li­chen Dosie­run­gen im Ver­gleich zu Pla­ce­bo unter­sucht.

Dabei erga­ben sich ent­täu­schen­de Ergeb­nis­se:

Über­ra­schen­der­wei­se zeig­te die Grup­pe der ALS-Pati­en­ten mit der höchs­ten Dosie­rung des Stu­di­en­me­di­ka­men­tes den ungüns­tigs­ten Ver­lauf: die Krank­heits­pro­gres­si­on war höher als in der Pla­ce­bo-Grup­pe. Bei die­ser Grup­pe schritt die ALS-Erkran­kung somit schnel­ler vor­an als bei den ande­ren bei­den Grup­pen. Auf­grund die­ser Ergeb­nis­se wur­de das Stu­di­en­pro­gramm von Bio­gen unmit­tel­bar abge­bro­chen.

Auf­grund der Häu­fig­keit von C9or­f72-Muta­tio­nen bei Men­schen mit ALS (etwa 10 % aller Betrof­fe­nen) sind wei­te­re For­schungs­pro­gram­me der gene­ti­schen The­ra­pie drin­gend erfor­der­lich. Daher ist posi­tiv zu wer­ten, dass aus der Arbeits­grup­pe von Robert Brown (Bos­ton) ein posi­ti­ves Ergeb­nis mit einem ande­ren ASO-Medi­ka­ment gegen C9or­f72-Muta­tio­nen ver­öf­fent­licht wur­de (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34949835). Wei­ter­hin wird ein ASO-Stu­di­en­pro­gramm von dem Unter­neh­men WAVE Life Sci­ence rea­li­siert (https://wavelifesciences.com/pipeline/lead-programs). Neben dem the­ra­peu­ti­schen Kon­zept der ASO befin­den sich ande­re The­ra­pie­stra­te­gien in kli­ni­scher Ent­wick­lung (https://www.alector.com/pipeline).

Zur nega­ti­ven Stu­die von Bio­gen lie­gen bis­her noch weni­ge wis­sen­schaft­li­che Daten vor. Aus den Details der wis­sen­schaft­li­chen Ana­ly­se wer­den sich Anhalts­punk­te gene­rie­ren las­sen, ob das the­ra­peu­ti­sche Pro­gramm (mit ver­än­der­ten Bedin­gun­gen) wie­der auf­ge­grif­fen wer­den kann. Der­ar­ti­ge Ent­wick­lun­gen und Ent­schei­dun­gen sind von ande­ren Erkran­kun­gen bekannt. So wur­de die gene­ti­sche The­ra­pie mit dem ASO-Medi­ka­ment Tomi­ner­sen (der Fir­ma Roche) bei der Hun­ting­ton-Erkran­kung nach einer nega­ti­ven Stu­die zunächst been­det, aber nach einer wei­te­ren Ana­ly­se wie­der auf­ge­nom­men.

Autor: Tho­mas Mey­er

Pres­se­mit­tei­lung von Bio­gen:

https://www.globenewswire.com/news-release/2022/03/28/2410883/0/en/Biogen-and-Ionis-Announce-Topline-Phase-1-Study-Results-of-Investigational-Drug-in-C9orf72-Amyotrophic-Lateral-Sclerosis.html

Über C9or­f72-Muta­tio­nen im ALS-Pod­cast:

Die Kom­ple­xi­tät der C9or­f72-Muta­tio­nen wur­de im Inter­view mit Prof. Dr. Jochen Weis­haupt dis­ku­tiert: https://youtu.be/sqPRIp4-M14


5. April 2022